Umsetzung von Waldgartensystemen in der Praxis

Aktuell sind Waldgartensysteme in Deutschland noch wenig verbreitet. Beispielhafte Umsetzungen können zeigen, wie Waldgarten und Nahrungswald in verschiedenen Klimazonen und unter verschiedenen Anbaubedingungen gelingen können.

Am Beispiel des im Aufbau befindlichen Betriebes „Waldgartenpilot“ wird im hier vorgestellten „Waldgartenkonzept“ gezeigt, welche Möglichkeiten auf einem kleinen Brandenburger Betrieb umgesetzt werden können, umgesetzt wurden und werden sollen. Auch die rechtlichen Herausforderungen werden aufgezeigt, soweit sie sich in dieser Konzepterstellung klären ließen – viele Regelungen entstehen erst gerade. Das Planungs- und Umsetzungskonzept wurde mit Kooperationsbetrieben mit Schwerpunkten in verschiedenen Branchen diskutiert, um deren Sichtweisen als Umsetzungskorrektiv zu integrieren.

Der Ansatz des Waldgartenkonzepts zeigt, dass Waldgarten eine Alternative zur industriellen Landwirtschaft ist. Das Konzept soll zu einer nachhaltigen Landnutzung und einer Belebung des ländlichen Raumes beitragen.

Die Grundidee: Waldgartensystem mit Intensivgemüse, betrieben von einer Solawi

Die Grundidee des Waldgartenprojektes propagiert eine klima- und ressourcenschonende Bewirtschaftungsweise landwirtschaftlicher Flächen, die auf biologischen Kreisläufen und der Integration von Gehölzen in die Landwirtschaft basiert. Dabei soll ein komplexes Agroforstsystem entstehen, das in der Permakultur „Waldgarten“ (food forest) genannt wird. Aufbau, Wirkweise und ökologischer Nutzen eines Waldgartens wird in der Ausarbeitung dargestellt.

Der Waldgarten dient dabei nicht nur als landwirtschaftliche Nutzfläche, sondern berücksichtigt auch ökologische und soziale Aspekte. Der Waldgarten stellt ein komplexes, vernetztes Gesamtsystem dar, in dem Kreisläufe durch deren bewusste Gestaltung besonders gefördert werden. Waldgarten ist eine kleinteilige, wenig mechanisierte Form von moderner Landwirtschaft.

Der Waldgartenpilot in Rehfelde

Das Projekt „Waldgartenpilot Rehfelde“ (WPR) zeigt, wie Waldgartensysteme in trockenen Regionen Brandenburgs erfolgreich etabliert werden können. Auf einer Fläche mit geringer Bodengüte entsteht hier ein stabiles System, das ökologisch und wirtschaftlich tragfähig ist.

Waldgarten wird als auch ökonomisch tragfähiges Bewirtschaftungskonzept beschrieben. Im Beispiel des Waldgartenpiloten soll die Solawi-Organisation als Absatzkanal dienen, andere Ausformungen wie Direktvermarktung und Spezialisierung auf Gastro sind denkbar.

Generell soll der WPR zur Verbreitung von großen Waldgärten beitragen und ihre ökonomische Tragfähigkeit beweisen.

Konkrete Ziele für das Pilotprojekt WPR, die das vorliegende Konzept beschreibt, sind:

  • Ökonomisches Ziel: Beweisen, dass ein Waldgarten als landwirtschaftlicher Betrieb funktionieren kann
  • Ökologisches Ziel: Beweisen, dass ein Waldgarten als regeneratives Ökosystem funktioniert, das Nahrung für mehr als 100 Menschen pro ha liefert
  • Soziales Ziel:
    • Beweisen, dass landwirtschaftliche Betriebe mit einem Waldgarten ein faires Einkommen erwirtschaften können
    • Gute Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden mit akzeptablen Einkommen
    • Soziales Miteinander aller Akteure, auch in der Umgebung, Wertschätzung

In der Gesamtkonzeption des Waldgartenprojektes dient der WPR dazu, Waldgarten anschaulich und anfassbar zu machen, um Landwirte für Waldgartensysteme zu begeistern.

Waldgartenpilot Rehfelde – das Gelände

Das Betriebsgelände des Waldgartenpilot Rehfelde (WPR) umfasst 3,1 Hektar und wurde vom gemeinnützigen Verein Sarsarale e.V. in den Jahren 2020 und 2021 erworben.

Standortanalyse

Bei der Standortanalyse wird neben der geometrischen Anordnung der bestimmenden Elemente des Betriebes auch die Bodenbeschaffenheit, Wasserverfügbarkeit und das Klima betrachtet. Eine sorgfältige Beobachtung und eine wertfreie Analyse ist entscheidend, um langfristig erfolgreich zu wirtschaften.

Einige wichtige Punkte:

  • Klima: Das Projektgebiet liegt in Brandenburg, östlich von Berlin, und ist bekannt für sein niederschlagsarmes, leicht kontinentales Klima. Die durchschnittliche Jahrestemperatur ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Der Niederschlag von 450 – 550 mm tritt zunehmend in den Wintermonaten auf, die Frühjahre werden zunehmend trocken.
  • Flächenaufteilung: Das Gelände besteht aus verschiedenen Flächen, darunter rechtlich geschützte Biotope und Ackerflächen. Die Grünflächen wurden zuvor extensiv von Nachbarn genutzt, der Acker ohne Vertrag vom örtlichen Landwirt.
  • Boden: Die Böden sind sandig bis lehmig und weisen eine heterogene Bodengüte auf. Bodenproben zeigen eine Schicht von humosem Sand oder Lehm auf sandigem Lehm.
  • Nutzung: Die Fläche wird für verschiedene landwirtschaftliche Zwecke genutzt, einschließlich Ackerbau, Grünland und Wald. Die Nutzungsmöglichkeiten richten sich nach der Widmung der Flächen.

Lage und Flächenaufteilung

Die räumliche Aufteilung des Geländes war im WPR von Anfang an sehr geprägt durch die zu Beginn bestehende Flächenwidmung.

Durch die Einordnung von fast 1ha Fläche als Schutzgebiet reduziert sich die für landwirtschaftliche Nutzung verfügbare Fläche um 30%. Im Sinne der aktuellen Situation unserer Umwelt ist diese Aufteilung sehr „zukunftstauglich“, da Räume für MitLebewesen und Orte für Pflanzen in das Gesamtsystem integriert werden (siehe Abschnitt „Umwelt- und Naturschutzbelange“). In der an die Systematik der Permakultur angelehnten Flächenaufteilung ist diese „Wildnis“ ebenfalls gut integrierbar.

Die Lage des Betriebsgeländes, die Aufteilung in verschiedene Bewirtschaftungsbereiche (Wald, Grünland, Acker, Feuchtbiotop und FFH-Gebiet) mit ihren spezifischen Belangen und Möglichkeiten wird in der Ausarbeitung ausführlich beschrieben.

Umwelt- und Naturschutzbelange

Waldgartensysteme verbinden generell Naturschutz und Landwirtschaft. Die durch die artenreichen Anbausysteme gegebene vielfältige Umgebung bietet vielen Arten Schutz, Nahrung und Wohnraum.

Beim WPR ist besonders zu beachten, dass verschiedenste Nutzungssituationen (Acker, Grünland, Wald) gegeben sind, bestehende Altbäume und auch je ein eingetragenes Feucht- und FFH-Gebiet. Diese Gebiete dienen als Rückzugsorte für gefährdete Arten und wurden in den 1990er Jahren festgelegt. Alte Pappeln wurden aus Sicherheitsgründen gekürzt, um weiterhin Lebensräume für Tiere und Insekten zu bieten. Für die aufgestellten Folientunnel und Containerbauwerke wurden Ersatzbäume gepflanzt.

In die bewirtschafteten Bereiche integrierte Biotopelemente wie Lesesteinhaufen, Totholzhecken und Nisthöhlungen fördern die Artenvielfalt und stellen positive Möglichkeiten für eine Förderung des Naturschutzes dar. Die dauernde Beschattung von Bodenbereichen bietet dem vielfältigen Bodenleben gute Bedingungen. Da keine wendende Bodenbearbeitung stattfindet, werden Pilze und empfindliche Bodenlebewesen gefördert. Dies trägt wiederum zum Humusaufbau und der Nährstoffversorgung der von der Solawi genutzten Pflanzen bei.

Aufgeschichtete Lesesteinhaufen, die Totholzhecke, darin abgelegte Hohlstengel und stehengebliebene verblühte Stauden bieten Habitate für Wildbienen, Kleinsäuger, Eidechsen, Igel, Vögel und viele weitere Tierarten.

Mit Nisthöhlungen versehene Stein- und Asthaufen auf der Südwiese und am Rand der Nordwiese sollen Wühlmausjäger wie Hermelin und Mauswiesel einladen. Aufgestellte Sitzstangen für Greifvögel fördern deren Fangerfolge bei der Mäusejagd und sichern so den Ertrag für der Solawi.

Geplante und reale Ökonomie

Die ökonomische Betrachtung des Waldgartenpilot Rehfelde (WPR) zeigt, warum das Projekt tragfähig  werden kann. Die Finanzierung der Investitionen erfolgte über Spenden, Crowdfunding und Fördergelder. Die Postcode Lotterie Deutschland förderte vor allem die Materialkosten der Infrastruktur. In den ersten zwei Jahren wurden etwa 80.000 € in Materialkosten investiert, wobei ein Drittel für Pflanzen und zwei Drittel für Infrastruktur und Werkzeuge verwendet wurden. Planungsleistungen, Beschilderung und Marketingmittel machten etwa 5% der Summe aus. Engagierte Projektbeteiligte leisteten über 3000 ehrenamtliche Arbeitsstunden, was den Start des Pilotprojekts ermöglichte.

Die Ausgangsbedingungen für die Bewirtschaftenden sind vergleichbar mit einem Hof-Erbe oder der Übernahme eines ausgestatteten Hofes. Mit den Investitionen von etwa 120.000 € (zuzgl der Kosten für das Grundstück) wurden zwei potenzielle Arbeitsplätze geschaffen, was im Vergleich zur industriellen Landwirtschaft, wo ein Kapitaleinsatz von 600.000 € pro Arbeitsplatz gerechnet wird, bescheiden ist.

Die laufende Finanzierung des Waldgartenpilot Rehfelde (WPR) erfolgt über die Solidarische Landwirtschaft (Solawi). Als gemeinnütziger Verein ist Sarsarale verpflichtet, eventuelle Gewinne für die Förderung von Waldgärten zu verwenden.

Wirtschaftlicher Betrieb:

Arbeitskosten: Die Arbeit wird von Angestellten Gärtner:innen, Solawistas, Vereinsmitgliedern, Freiwilligen und externen Berater:innen erbracht. Die Bezahlung erfolgt gestaffelt nach Kompetenz und aufgewandtem Zeitbudget.

Einnahmequellen: Einnahmen stammen aus Gemüse, Kräutern, Obst, Beeren und Nüssen. Weitere Einnahmen aus Workshops, Holzverkauf, Baumschule und Blumenverkauf sind möglich, aber nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingeflossen.

Abschätzungen zu Einnahmen und Gewinn: Berechnungen zeigen Einnahmemöglichkeiten von jährlich 160.000 bis 200.000 €, wenn die gesamte Fläche bewirtschaftet wird und ca. 100 Ernteanteile abgesetzt werden. Schon für 65 Ernteanteile auf 1,1 ha bewirtschafteter Fläche ergibt sich eine tragfähige Einnahmesituation für 1,3 Arbeitsplatzäquivalente, verteilt auf 6 Personen. Das wirtschaftliche Ergebnis orientiert sich in diesem Fall am sozialen Zweck der möglichst hohen Lohnzahlung.

Die wirtschaftliche Betrachtung ist in der Ausarbeitung ausführlicher dargestellt.

Fazit

Es kann durch verschiedene theoretische Ansätze gestützt gezeigt werden, dass der Betrieb des WPR  wirtschaftlich tragfähig sein wird, ohne landwirtschaftliche Subventionen mit einzubeziehen. Die praktische Bestätigung dieser Annahme durch einen langjährigen Betrieb steht noch aus.

Entwicklungsstrategie, Handlungsfelder & konkrete Maßnahmen

Die Entwicklungsstrategie für den Waldgartenpilot Rehfelde (WPR) umfasst konkrete Maßnahmen, die in einem iterativen Prozess der dauernden Verfeinerung und Anpassung geplant und durchgeführt werden. Einige Schritte der Entwicklung hin zum Waldgartensystem (WGS) sind bereits umgesetzt, während weitere Schritte wie der Ausbau der Vertriebsstruktur, des Anbaubereichs der Gemüsegärtnerei und der Baumschule noch anstehen.

Arbeits- und Zeitplan

Ein detaillierter Arbeits- und Zeitplan wurde basierend auf den Vorüberlegungen und Erfahrungen erstellt. Dieser Plan modelliert die Umsetzbarkeit und konkrete Umsetzungsmassnahmen am Beispiel des WPR. Er umfasst Abläufe, Indikatoren für Zielerreichung und Kontrollmöglichkeiten, die zur Bewertung der Zielerreichung dienen. Der Plan ist flexibel und kann an andere Gegebenheiten, Wünsche oder Ziele angepasst werden.

Zielerreichung

Die Übersicht der Kosten- und Arbeitskategorien im Betrieb des Waldgartenpilot Rehfelde (WPR) zeigt, dass der komplexe Betrieb eines Waldgartensystems (WGS) in aufeinander aufbauenden oder parallel verlaufenden Schritten erfolgt. Parallel und fortlaufend sind einige Bereiche zu bearbeiten.

Kriterien und Kontrollmöglichkeiten für die Bewertung der Zielerreichung

  • Ökonomisch: Rentabilität der Organisation, Umsatz, Rohgewinn, voraussichtlicher Break-Even, Erntemengen, Produktionsreste, Optimierungspotential, Marktchancen, Vertriebswege.
  • Ökologisch: Zunahme der biologischen Vielfalt (Vogelzählungen, Insektenmonitoring), Zustand des Bodenlebens (Mikroorganismen, biologische Aktivität, Humusgehalt), realer Bewässerungsbedarf.
  • Sozial: Akzeptanz in der Gemeinde, Stimmung in der Gruppe, Änderungen im Ernährungs-, Einkaufs- und Sozialverhalten der Ernteteiler, Anzahl der Anfragen für Führungen, Interesse von Landwirtschaftsbetrieben, Wissenschaft und Universitäten, Veröffentlichungen und Abschlussarbeiten.

Diese Kontrollparameter sind wissenschaftlich definierbar und für jeden landwirtschaftlichen Betrieb erhebbar. Referenz kann das Monitoringprogramm NMVB aus den Niederlanden sein. Weiter gefasste Indikatoren finden sich im BfN-Skript 470/2017 „Indikatorensystem zur Darstellung direkter und indirekter Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt“. Speziell für das Projekt Waldgartenpilot Rehfelde ist auch die Ermittlung der im deutschsprachigen Raum real umgesetzten Waldgartensysteme eine Kontrollgröße.

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