Waldgartensysteme bieten eine schier unendliche Menge an Vorteilen. Je nach Betrachtungsweise stehen dabei verschiedene Aspekte im Vordergrund. In jedem Waldgartensystem sind viele, oft sogar alle Vorteile für den Betrieb und den Standort nachweisbar. Nicht immer lassen sie sich in die Nachhaltigkeitskriterien (SDG) aufteilen.
Neue alte Möglichkeiten
Jahrhundertelang war die Nutzung von Gehölzen in der Land(wirt)schaft guter Brauch. Ob es damals bewusst war oder erst durch moderne Wissenschaft bestätigt wurde: Gehölze in Form von Büschen und Bäumen in Hecken und als Wirtschaftssysteme erhöhen die lokalen Niederschläge, bremsen Wind und damit Erosion. Zudem sind sie Lebensräume für Insekten, Vögel und viele kleinere Tiere. Sie können durch diese Korridore in der Landschaft wandern und damit auch wieder Fuß fassen. Die vielfältigen Habitate bringen Vielfalt ins Ökosystem zurück, dessen Boden durch das kühlere Kleinklima geschützt wird. Dort kann das Bodenleben sich regenerieren, Bodenfruchtbarkeit aufbauen und auch deutlich mehr CO2 binden als sonnenbeschienene Ackerböden.
Agroforstsysteme – und vor allem ihre komplexeste Form, die Waldgärten – bieten eine Möglichkeit, diese Vorteile von Gehölzen und der damit steigenden Artenvielfalt in der modernen Landwirtschaft zu nutzen. Diese Form der Landwirtschaft sieht völlig anders aus als die gewohnte industrielle Landwirtschaft – und auch anders als die Landwirtschaft unserer Vorväter.
Auswirkungen im Ökologischen Bereich
Die ökologischen Vorteile von Waldgartensystemen gegenüber der herkömmlichen industriellen Landwirtschaft sind immens.
Vorteile der Diversität von Waldgartensystemen
Die Kombination verschiedener Pflanzenarten steigert die Resilienz gegenüber Schädlingen und Wetterextremen. Gleichzeitig erhöht die Vielfalt den Ertrag und reduziert langfristig die Betriebskosten. Durch Synergien, etwa Schatten für bodennahe Pflanzen und natürliche Schädlingskontrolle durch Nützlinge werden natürliche Abläufe integriert und steuernde Eingriffe von außen minimiert.
Die hohe Produktvielfalt bringt dem landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftliche Stabilität, da über das Jahr verteilt Produkte geerntet werden können. Durch eine geschickte Gestaltung des Vertriebskanals kann der wirtschaftliche Ertrag für den Betrieb sehr gut sein.
Umweltleistungen
Waldgartensysteme bieten eine Vielzahl an Umweltleistungen. Unter anderem speichern sie CO₂, verbessern das Bodenleben und erhöhen den Humusgehalt und damit die Wasserhaltekapazität des Bodens. Dies bringt eine größere Wasserrückhaltung, eine größere Grundwasserneubildungsrate, eine bessere Anpassung an die vermehrt auftretende Starkniederschlagsereignisse und monatelangen Dürren. Zusätzlich fördern Waldgartensysteme die Artenvielfalt und schaffen wertvolle Lebensräume für Tiere und Mikroorganismen. Die sich wieder etablierenden natürlichen Nahrungsnetze fördern die Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen, und ermöglichen es, ohne chemische Pestizide und Düngemittel zu wirtschaften.
Durch die durch die Gehölze erhöhte Wasserverdunstung (Transpiration) wird das lokale Klima gekühlt und in Verbindung mit von Pflanzen ausgestoßenen Harzen gleichzeitig die Bildung von Niederschlägen und damit der Wassertransport über weite Strecken unterstützt (Kleiner Wasserkreislauf, „Fliegende Flüsse“).
Diese Ökosystemleistungen sind für die Funktionsfähigkeit unserer Lebensräume wichtig und sollten deswegen auch gesellschaftlich besonders gefördert werden.
Eine Einordnung von Waldgartensystemen als AUKM (Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen) würde die Verbreitung dieser Methode sehr unterstützen.
Hinweis: In der Ausarbeitung ist eine ausführliche Betrachtung der Förderungswürdigkeit von Waldgartensystemen als MLUK enthalten.
Weitere Auswirkungen & Nutzen von Waldgartensystemen
Waldgartensysteme liefern einen konkreten, praxistauglichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen, zugleich eine Stärkung der dringend notwendigen nachhaltige und innovative Landbewirtschaftung sowie eine Reduzierung der Fossilabhängigkeit
Sie können zu einer Änderung der Essgewohnheiten beitragen. Großbäume wie Nüsse, Esskastanien und Eichen können langfristig Weizen und Kartoffeln ersetzen. Die Ernte beginnt nach einigen Jahren und erreicht nach 50-80 Jahren ihren vollen Umfang. In der Zwischenzeit können Konsumenten an die neuen Produkte gewöhnt und Absatzkanäle aufgebaut werden. Ungewöhnliche mehrjährige Gemüsearten wie Meerkohl und Topinambur bringen nach 1-2 Jahren Ertrag und können die Begeisterung der Konsumenten wecken. Ein vielfältiges Gemüseangebot kann den Fleischkonsum reduzieren und so zur Verringerung der Fossilenergienutzung und des Treibhausgasausstoßes beitragen.
Die Liste der positiven Eigenschaften läßt sich noch wesentlich weiter fortsetzen. Waldgartensysteme bieten neben der Nahrungsproduktion vielfältige Nutzen.
Natürlich Naturschutz?
Waldgartensysteme haben Umwelt- und Naturschutz als zentrale Ziele und gehen über die in der Landwirtschaft geforderte „Gute Fachliche Praxis“ hinaus. Sie fördern die Artenvielfalt und bieten Lebensraum für viele Lebewesen. Sie verändern die Landschaft positiv, denn Vielfalt führt fast ausnahmslos zu positiven Umwelteffekten. Waldgartensysteme bieten vielen Lebewesen Lebens- und Schutzraum. Hier sind neben Pflanzen auch vielen Vögeln, Insekten, Spinnen, Reptilien und Säugetiere zu nennen.
Viele Vogelarten profitieren von der höheren Vielfalt an Gehölzen, Insekten und Bodenleben in Waldgartensystemen deutlich, beispielsweise vom Aussterben bedrohte Arten wie Neuntöter oder Braunkehlchen.
Einige bedrohte bodenbrütende Vogelarten wie Lerche und Kiebitz bevorzugen offene Landschaften ohne hohe Baumstrukturen. In intensiv bewirtschafteten Flächen und Gehölzstrukturen werden sie deswegen eher verdrängt. Dies kann auch in einfachen, hauptsächlich industriell bewirtschafteten Agroforstsystemen geschehen, während in Waldgärten und Nahrungswald extensive Offenflächen und kleinteilige Strukturen auch zusätzlichen Lebensraum bieten können. Im Bereich von Schutzgebieten ist also eine Rücksprache mit den zuständigen Behörden (Untere Naturschutzbehörde) angeraten, bevor ein Waldgartensystem angestrebt wird.
Gerade die Bestimmungen bezüglich „Umnutzung“, „Umbruch“ und Eingriffsregelung führen zu Diskussionen mit Behörden, die für engagierte Laien manchmal nur schwer nachvollziehbar sind. Zudem sind auch Behörden manchmal nicht rechtssicher, so dass manche rechtlich mögliche Lösung intensiv besprochen werden muss.
Hier sind nachvollziehbare und dauerhafte rechtliche Regelungen zugunsten eines Zusammenwirkens von Naturschutz und Landbewirtschaftung und entsprechende Fortbildungen auf allen Ebenen wünschenswert.
Besondere Beachtung sollte deswegen die Kommunikation zwischen Akteuren des Natur/Umweltschutzes und Landwirtinnen erfahren. Hier existieren langjährig gepflegte Vorurteile und Meinungsgräben zwischen den Beteiligten, die durch behutsame und bewußte Kommunikation überbrückt werden können – denn letztlich eint alle Beteiligte der Wille zur zukunftsfähigen Versorgung der Bevölkerung mit guten Lebensmitteln!
Waldgarten, Nahrungswald und Artenreiche Agroforstsysteme bringen zeitgleich Nutzen für Natur- und Umweltschutz und für Landwirte.
Auswirkungen im ökonomischen Bereich
Wirtschaftliche Auswirkungen von Waldgartensystemen (WGS):
Kleine landwirtschaftliche Betriebe haben durch Waldgartensysteme eine Überlebenschance, während größere Betriebe ihre Strukturen anpassen müssten. Waldgartensysteme können derzeit oft nur mit Drittmitteln etabliert werden. Ihre Wirtschaftlichkeit ist komplex und hängt von der Gestaltung der Aufbau- und Ertragsphasen ab. Ab dem 2. Jahr kann bei geschickter Planung und ausreichender Arbeitskraft die Kostendeckung möglich sein. Extensivere Ansätze benötigen länger, um rentabel zu werden, aber langfristig steigende Erträge sind erreichbar, wenn die Sukzession gut integriert ist.
Agrarsubventionen und True Cost Accounting:
Die tatsächlichen Kosten industrieller Landwirtschaft (z. B. Umweltkosten von 5000 €/ha jährlich) werden oft nicht berücksichtigt. Waldgartensysteme sind ökonomisch und ökologisch überlegen, wenn Umweltleistungen einbezogen werden. Landwirtschaftliche Subventionen sollten auch für Waldgartensysteme zugänglich sein, da sie durch Ökosystemdienstleistungen einen hohen gesellschaftlichen Nutzen haben. Eine Anschubförderung für die ersten Jahre ist wünschenswert, um die Etablierung zu unterstützen.
Investitionsförderung:
Der gesellschaftliche Nutzen von Waldgartensystemen rechtfertigt eine anfängliche Finanzierung durch Drittmittel, Crowdfunding, Fördervereine oder grüne Investoren, die die Notwendigkeit der Transformation erkennen.
Waldgartensysteme kombinieren ökologische und soziale Vorteile mit Nahrungsmittelproduktion, was eine langfristige Wirtschaftlichkeit ermöglicht.
Betriebskosten
Die Hauptkosten in Waldgartenbetrieben entstehen durch den hohen Personalaufwand, da viel manuelle Arbeit erforderlich ist. Mit zunehmender Größe und Mechanisierung (z. B. in Nahrungswäldern oder artenreichen Agroforstsystemen) steigen die Maschinenkosten. Weitere wichtige Kostenfaktoren sind die Etablierung der Pflanzen sowie Betriebsmittel, Dienstleistungen und laufende Betriebskosten wie Versicherungen. In wenig mechanisierten Systemen fallen Maschinenkosten weniger ins Gewicht.
Erfahrungen aus Marketgardens, Gemüsegärtnereien und regionalen Solidarischen Landwirtschaften (Solawis) bieten Orientierung: Üblicherweise werden nur Mindestlöhne oder geringere Einkünfte (bei Selbständigen) erzielt. Das Solawi-Modell schafft eine solidarisch getragene Einkommensstruktur mit positiven Effekten wie Solidaritätsgefühl, Stadt-Land-Verbindung, Ernährungssouveränität und -sicherheit. Dieses Modell kann auch für Waldgärten relevant sein, um wirtschaftliche und soziale Stabilität zu fördern.
Auswirkungen im Betrieb und im Umfeld
Neue Chancen durch Waldgartensysteme (WGS). Sie fördern wirtschaftliche Resilienz, soziale Bindungen, ökologische Nachhaltigkeit und schaffen attraktive Perspektiven für die Landwirtschaft der Zukunft.
Produktvielfalt und Einkommensquellen
Waldgärten bieten vielseitige Einkommensmöglichkeiten und resiliente Ertragsmodelle. Ernten können über längere Zeiträume erzielt werden mit den zunehmenden und länger anhaltenden Erträgen durch Bäume und mehrjährige Kulturen. Weiterverarbeitung von Produkten erhöht die Einnahmen, erfordert jedoch Investitionen in Absatzmärkte und Verarbeitungsmethoden. Aufbauphasen können unentgeltliche Arbeit erfordern, die durch Familie, Mithelfende oder Finanzierung gedeckt werden muss.
Neue Strukturen und Vertriebswege
Innovative Absatzkonzepte wie Solidarische Landwirtschaft (Solawi) oder „Selbst ernten für Eigennutzung“ stärken die finanzielle Stabilität und soziale Bindung. Hier entsteht gleichzeitig auch neuer Aufwand und neuer Kompetenzbedarf in den Betrieben, die die bisherigen Strukturen ändern könnten.
Höhere Unabhängigkeit
WGS reduzieren Betriebskosten durch den Verzicht auf teure Maschinen und fossile Betriebsmittel. Regionale und eigene Ressourcen wie Biomasse und Gründüngung fördern die Autarkie und verringern die Abhängigkeit von externen Inputs. Die extensive Bewirtschaftung erfordert weniger Ressourcen und ist nachhaltiger als industrielle Landwirtschaft.
Neue Lern- und Arbeitsfelder
WGS eröffnen Raum für lebenslanges Lernen und handwerkliche Fertigkeiten, die in der klassischen landwirtschaftlichen Ausbildung fehlen. Beispiele wie die Nutzung von Esskastanien für Ernte und Holzertrag oder die Pflege von mehrjährigen Kulturen fördern traditionelle Handwerkstechniken und deren Weitergabe.
Hofübernahmen und Zielgruppen
WGS bieten insbesondere kleinen Betrieben (z. B. 4 – 15 ha) neue Perspektiven. In Regionen wie Brandenburg, wo viele Betriebe kleine Flächen bewirtschaften und Nachfolgen suchen, schafft die Waldgartenwirtschaft attraktive Alternativen zu mechanisierter Landwirtschaft. Junge Menschen schätzen den nachhaltigen, langfristigen Ansatz von Waldgartensystemen, was die Attraktivität für Fachkräfte und Nachfolger steigert.
Überbetrieblich
Auch die über den jeweiligen Betrieb hinausreichenden Auswirkungen von Waldgartensystemen sind vielfältig. Beispielsweise ist die im Feld wirksamen Bestäubungsleistung auch für umliegende Betriebe höher wegen der höheren Biodiversität des WGS. Auch die Steigerung der Feldkapazität, die Erosionsminderung und die Rückhaltung von Extremregenfällen ist für alle wertvoll.
Es sind lokale Kühlungseffekte nachweisbar. Alle diese Ökosystemleistungen und Effekte haben auch im ökonomischen Bereich einen positiven Einfluss auf die Region.
Zudem bieten Waldgartensysteme Potenzial für zusätzliche Einkommensquellen wie Bildungs- und Tourismusangebote. Dank ihres nachhaltigen Ansatzes und positiven Images stärken sie die regionale Entwicklung und Wirtschaft.
Soziale Auswirkungen
Waldgartensysteme (WGS) fördern existenzielle Sicherheit und stärken dörfliche Strukturen durch kleinere, arbeitsintensivere Betriebe. Sie schaffen sinnvolle, naturverbundene Arbeitsplätze, die als bereichernd wahrgenommen werden. Die Mitarbeit in einem WGS bietet Erholung, Naturerfahrung und die Möglichkeit, gemeinsam an zukunftsweisenden Lösungen zu arbeiten.
WGS verbinden traditionelles und modernes Wissen, machen Bildungsbedarfe sichtbar und fördern soziale Methoden sowie ökologische Zusammenhänge. Politisch stärken sie die Unabhängigkeit von der Agrarindustrie und fördern regionale Netzwerke. Die internationale und lokale Vernetzung der Waldgartenszene unterstützt den Wissensaustausch und ein besseres Verständnis globaler Zusammenhänge.